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Phosphatidylserin (PS)

Alzheimer Krankheit, Depression, Chronischer Stress

Einleitung

Das ubiquitär vorkommende und auch endogen gebildete Phospholipid Phosphatidylserin (PS) ist das wichtigste saure Phospholipid im Gehirn. PS wird in die Zellmembran eingebettet und fungiert zusammen mit anderen Phospholipiden als deren Grundbaustein. Diese Membranphospholipide spielen eine zentrale Rolle für die interzelluläre Kommunikation und für die Übertragung biochemischer Signale in das Zellinnere, wo auf diese Weise zelluläre Reaktionen ausgelöst werden. Das einwandfreie Funktionieren dieser Prozesse ist insbesondere im Zentralnervensystem von entscheidender Bedeutung. Theoretischen Überlegungen zufolge unterstützt PS den Zellstoffwechsel und die interzelluläre Kommunikation, indem es die Fluidität der Zellmembran beeinflusst.
Nachgewiesen sind die Auswirkungen einer oralen PS-Supplementation auf die neuronalen Membranen, auf den Zellstoffwechsel und auf spezifische Neurotransmittersysteme, darunter das Azetylcholin-, das Noradrenalin-, das Serotonin- und das Dopaminsystem.
(1-4) Zahlreiche klinische Studien belegen, dass PS eine signifikante positive Wirkung auf die kognitiven Funktionen aufweist, insbesondere auf die Funktionen, die mit zunehmendem Alter tendenziell nachlassen, wie z.B. Gedächtnis- und Sprachleistung sowie Lern- und Konzentrationsfähigkeit.

PS wird im Organismus aus der Aminosäure L-Serin sowie aus Glyzerophosphat und zwei Fettsäuren gebildet. Ein Teil des Phosphatidylserins wird in Phosphatidylethanolamin umgewandelt, welches wiederum zu Phosphatidylcholin methyliert wird. Phosphatidylethanolamin kann auch enzymatisch zu Phosphatidylserin transformiert werden. Diese Umwandlungsprozesse sind jedoch energieaufwendig.

Der Alterungsprozess ist häufig mit strukturellen und biochemischen Veränderungen im Gehirn verbunden. Hierzu gehören u.a. eine veränderte Lipidzusammensetzung der Nervenzellmembran, die Störung neuronaler Enzymaktivitäten, eine Verminderung der Synthese und des Abbaus von Neurotransmittern und/oder eine verminderte Synapsendichte. Altersbedingte Veränderungen in der Zusammensetzung der Nervenzellmembran können zu neurochemischen Störungen führen, die zu einem Anstieg der Membranviskosität beitragen und auf diese Weise enzymatische Aktivitäten reduzieren, die eine optimale Fluidität voraussetzen. Diese Membranveränderungen können indirekt für die Störung von Enzymaktivitäten und Rezeptorfunktionen sowie für die Veränderung von Transmembran-Carrier-Proteinen und elektrischen Eigenschaften von Neuronen verantwortlich sein und so zu einer Beeinträchtigung von Verhalten, Gedächtnis und Lernfähigkeit führen.

Die Verabreichung von PS an alternde Ratten verhindert nicht nur den altersbedingten Verlust von dendritischen Dornen in den Pyramidenzellen des Hippocampus und eine Atrophie der cholinergen Zellen im basalen Vorderhirn, sondern verstärkt auch die Dopaminfreisetzung aus dem Corpus striatum und stimuliert die Freisetzung von Azetylcholin aus der Großhirnrinde.

Klinische Studien, in denen bei Alzheimer-Patienten die Glukoseutilisation im Gehirn mittels PET untersucht wurde, ergaben eine erhöhte Glukoseutilisation bei PS-supplementierten Patienten, vornehmlich in den temporoparietalen Regionen, die besonders von der Alzheimer-Krankheit betroffen sind.

PS schützt die Zellen auch vor einer Schädigung durch freie Radikale. In Kulturen menschlicher Fibroblasten, die mit PS vorbehandelt waren, wurde eine signifikante Verminderung der Zellschädigung durch enzymatische Oxidation von Azetaldehyd unter Katalyse der Xanthinoxidase festgestellt.

Pharmakokinetik und Toxizität

Pharmakokinetische Studien zeigen, dass exogenes PS durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangt, wo es eine besonders hohe Affinität zum Hypothalamus zu haben scheint. Bei oraler Verabreichung wird das Konzentrationsmaximun nach 1 bis 4 Stunden erreicht. Die orale LD50 bei Ratten beträgt >5 g/kg Körpergewicht. Hinweise auf teratogene Wirkungen bei Ratten oder Kaninchen liegen nicht vor. Auch Mutagenitätstests verliefen negativ. Eine Verträglichkeits- und Toxizitätsstudie an 130 Patienten ergab keine signifikanten Veränderungen von Blutbildwerten oder Serumchemie, mit Ausnahme einer signifikanten Abnahme von SGPT- und Harnsäurespiegeln.

Klinische Anwendungen

Altersassoziierte Gedächtnisstörungen/kognitiver Abbau: Studien zur Wirkung von Phosphatidylserin bei Patienten mit altersassoziierten Gedächtnisstörungen ergaben, dass PS ein wirksames Therapeutikum für diese verbreitete Alterserscheinung ist. In der größten dieser Studien, einer multizentrischen plazebokontrollierten Studie mit 494 älteren Teilnehmern, war in der PS-Gruppe (300 mg/die) im Vergleich zur Plazebogruppe eine signifikante Besserung von Verhaltensstörungen (Verlust von Motivation, Antrieb und Interesse an der Umwelt; gestörtes Sozialverhalten) sowie von Gedächtnisleistung und Lernfähigkeit zu beobachten. Mindestens ein Dutzend weiterer Studien, in denen meist ebenfalls 300 mg/die PS verabreicht wurden, ergaben eine ähnlich signifikante Verbesserung von Lernfähigkeit, Gedächtnisleistung, Konzentrationsfähigkeit und Abrufbarkeit von Gedächtnisinhalten.

Alzheimer-Krankheit: Gegenstand medizinischer Studien war auch die Frage, ob Phosphatidylserin bei Alzheimer-Patienten eine positive Wirkung aufweist. In der Regel führt die Verabreichung von PS zu einer signifikanten Besserung von Angstsymptomen, Antrieb, Gedächtnisleistung und kognitiven Fähigkeiten. In einer plazebokontrollierten Studie erhielten 142 Alzheimer-Patienten PS (200 mg/die) über einen Zeitraum von drei Monaten. Die Nachbeobachtungszeit betrug 24 Monate. In einer Untergruppe von Patienten mit schwerer Beeinträchtigung der kognitiven Leistung wurde drei Monate nach Behandlungsende eine signifikante Besserung auf der Demenzbeobachtungsskala nach Blessed (Aktivitäten des täglichen Lebens, Informationsverarbeitung, Gedächtnis für Personen und Sachverhalte) registriert. In anderen Studien, in denen meist 300-400 mg täglich verabreicht wurden, war die Besserung tendenziell bei denjenigen Probanden am stärksten ausgeprägt, die weniger schwere kognitive Beeinträchtigungen aufwiesen. In einer Studie war die Besserung nur vorübergehend und nach 16 Wochen nicht mehr erkennbar.

Depression: Maggioni und Mitarbeiter untersuchten die Wirkungen oraler PS-Gaben (300 mg täglich) auf depressive ältere Patienten ohne Zeichen einer Demenz und stellten nach 30 Tagen eine signifikante Besserung der depressiven Symptomatik fest. Auch Gedächtnis und Verhaltenssymptome besserten sich im Vergleich zu Plazebo.

Chronischer Stress/Hyperkortisolismus: Offenbar moduliert PS die Freisetzung von Kortisol in Stress-Situationen. In einer Studie zu belastungsinduziertem Stress lagen nach der Belastung die ACTH- und die Kortisolspiegel bei gesunden Probanden, die 800 mg PS täglich erhielten, niedriger als in der Plazebogruppe. Vermutlich beeinflusst PS die hypothalamische Freisetzung von Corticotropin Releasing Faktor, der unter Stressbedingungen die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse aktiviert. Diese Beobachtung könnte auch die antidepressive Wirkung von PS erklären, da bei depressiven Patienten häufig ein Hyperkortisolismus zu beobachten ist.

In allen genannten klinischen Studien wurde aus dem Hirngewebe von Rindern extrahiertes PS verwendet. Da dies wegen der Gefahr einer Übertragung von Slow-Virus-Infektionen keine wünschenswerte Quelle für die kommerzielle Herstellung ist, wurde für die orale Supplementation ein PS-Präparat aus Sojabohnen entwickelt. Dieses Präparat wird seit Mitte der neunziger Jahre eingesetzt. Zwei Studien, in denen aus Sojabohnen gewonnenes PS verwendet wurde, ergaben, dass es ähnliche therapeutische Eigenschaften aufweist wie aus Rinderhirn gewonnenes PS.